Bethe-Ansatz

Der Bethe-Ansatz ist eine analytische Methode zur exakten Berechnung von eindimensionalen quantenmechanischen Vielteilchenproblemen. 1931 präsentierte Hans Bethe[1] diese Methode zur Berechnung der exakten Eigenwerte (Eigenenergien) und Eigenvektoren des eindimensionalen Heisenbergmodells. Der eigentliche Bethe-Ansatz beschreibt dabei die Parameterisierung der Eigenvektoren als Ansatz für die Lösung des Eigenwertproblems (Schrödingergleichung).

Varianten des Bethe-Ansatzes führen zur exakten Lösung des Kondo-Modells, welche unabhängig 1980 von Paul Wiegmann[2] und Natan Andrei[3] gefunden wurde, und des Anderson model (P.B. Wiegmann[4] und N. Kawakami, A. Okiji[5], 1981).

Bethe-Ansatz für das 1D-Heisenberg Modell

Der Bethe-Ansatz wurde ursprünglich für das eindimensionale Heisenberg-Modell mit nächster Nachbarwechselwirkung und periodischen Randbedingungen entwickelt:

H = J n = 1 N S n S n + 1 = J n = 1 N [ 1 2 ( S n + S n + 1 + S n S n + 1 + ) + S n z S n + 1 z ] {\displaystyle H=-J\sum _{n=1}^{N}{\vec {S}}_{n}\cdot {\vec {S}}_{n+1}=-J\sum _{n=1}^{N}\left[{\frac {1}{2}}(S_{n}^{+}S_{n+1}^{-}+S_{n}^{-}S_{n+1}^{+})+S_{n}^{z}S_{n+1}^{z}\right]}

Abhängig vom Vorzeichen der Kopplungskonstante J {\displaystyle J} ist der Grundzustand ferromagnetisch oder anti-ferromagnetisch:

J { > 0 Ferromagnet < 0 Anti-Ferromagnet {\displaystyle J{\begin{cases}>0&{\text{Ferromagnet}}\\<0&{\text{Anti-Ferromagnet}}\\\end{cases}}}

Der ferromagnetische Grundzustand ist der Ausgangspunkt für den Bethe-Ansatz. Im ferromagnetischen Grundzustand sind alle Spins in eine Richtung ausgerichtet. Diese wird o.B.d.A in z {\displaystyle z} -Richtung angenommen. Damit kann der Grundzustand beschrieben werden als:

| F = | ↑↑↑ . . . {\displaystyle |F\rangle =|\uparrow \uparrow \uparrow ...\uparrow \rangle }

Im Bethe-Ansatz werden die Zustände mittels der umgeklappten Zustände vom ferromagnetischen Grundzustand klassifiziert. Zum Beispiel wird der Zustand mit zwei umgeklappten Spins an den Gitterplätzen n 1 {\displaystyle n_{1}} und n 2 {\displaystyle n_{2}} angegeben als:

| n 1 n 2 = | ↑↑ n 1 . . n 2 . . . {\displaystyle |n_{1}n_{2}\rangle =|\uparrow \uparrow \underbrace {\downarrow } _{n_{1}}\uparrow ..\uparrow \underbrace {\downarrow } _{n_{2}}\uparrow ...\uparrow \rangle }

Die Eigenzustände des Hamilton-Operators des Heisenberg-Modells sind gegeben als Superpositionen dieser Zustände. Dabei sind nur Linearkombinationen von Zuständen mit der gleichen Anzahl r von umgeklappten Spins zulässig. Dieses ist begründet in der Tatsache, dass der S z {\displaystyle S_{z}} -Operator mit dem Hamilton-Operator kommutiert und daher die Eigenvektoren aus Linearkombinationen von Spins mit gleicher S z {\displaystyle S_{z}} -Quantenzahl bestehen müssen. Zur Berechnung dieser Zustände ging Bethe iterativ vor und betrachtete zunächst Zustände mit lediglich einem umgeklappten Spin. Dieser wird dann auf Superpositionen von Zuständen mit r {\displaystyle r} umgeklappten Spins ausgeweitet.

r=1

Die Eigenvektoren bestehend aus Superpositionen von Zuständen mit lediglich einem umgeklappten Spin am Gitterplatz n {\displaystyle n} :

| Ψ = n = 1 N a ( n ) | n {\displaystyle |\Psi \rangle =\sum _{n=1}^{N}a(n)|n\rangle }

Die Eigenvektoren sind Lösungen der stationären Schrödingergleichung H | Ψ = E | Ψ {\displaystyle H|\Psi \rangle =E|\Psi \rangle } . Mittels Koeffizientenvergleich findet man N {\displaystyle N} linear unabhängige Gleichungen für die Koeffizienten a ( n ) {\displaystyle a(n)} :

2 [ E E 0 ] a ( n ) = J [ 2 a ( n ) a ( n 1 ) a ( n + 1 ) ] {\displaystyle 2[E-E_{0}]a(n)=J[2a(n)-a(n-1)-a(n+1)]}

Lösungen dieser Gleichungen, die auch die Bedingung für periodische Randbedingungen a ( n + N ) = a ( n ) {\displaystyle a(n+N)=a(n)} erfüllen, sind ebene Wellen:

a ( n ) = e i k n , k = 2 π N m mit m = 0 , 1 , . . . N 1 {\displaystyle a(n)=\mathrm {e} ^{ikn},\qquad k={\frac {2\pi }{N}}m\qquad {\text{mit}}\quad m=0,1,...N-1}

Damit sind die Eigenvektoren bestehend aus Superpositionen von Zuständen mit lediglich einem umgeklappten Spin angegeben. Die Energie dieser Zustände folgt aus der Schrödingergleichung:

E E 0 = J ( 1 cos ( k ) ) {\displaystyle E-E_{0}=J(1-\cos(k))}

Der nächste Schritt besteht darin, sich Superpositionen aus Zuständen mit zwei umgeklappten Spins anzuschauen.

r=2

Der Ansatz für die Eigenvektoren lautet:

| Ψ = n 1 < n 2 N a ( n 1 , n 2 ) | n 1 , n 2 {\displaystyle |\Psi \rangle =\sum _{n1<n2}^{N}a(n_{1},n_{2})|n_{1},n_{2}\rangle }

Bethes Ansatz für die Koeffizienten a ( n 1 , n 2 ) {\displaystyle a(n_{1},n_{2})} sind wieder ebene Wellen mit noch unbekannten Amplituden A 1 {\displaystyle A_{1}} und A 2 {\displaystyle A_{2}} :

a ( n 1 , n 2 ) = A 1 e i ( k 1 n 1 + k 2 n 2 ) + A 2 e i ( k 1 n 2 + k 2 n 1 ) {\displaystyle a(n_{1},n_{2})=A_{1}\mathrm {e} ^{i(k_{1}n_{1}+k_{2}n_{2})}+A_{2}\mathrm {e} ^{i(k_{1}n_{2}+k_{2}n_{1})}}

Die Parameter A 1 {\displaystyle A_{1}} und A 2 {\displaystyle A_{2}} werden durch das Einsetzen in die Schrödingergleichung ermittelt. Dieses ergibt folgendes Amplitudenverhältnis:

A 1 A 2 = e i θ = e i ( k 1 + k 2 ) + 1 2 e i k 1 e i ( k 1 + k 2 ) + 1 2 e i k 2 {\displaystyle {\frac {A_{1}}{A_{2}}}=\mathrm {e} ^{i\theta }=-{\frac {\mathrm {e} ^{i(k_{1}+k_{2})}+1-2\mathrm {e} ^{ik_{1}}}{\mathrm {e} ^{i(k_{1}+k_{2})}+1-2\mathrm {e} ^{ik_{2}}}}}

welches man in den Ansatz für die Koeffizienten hinzufügt:

a ( n 1 , n 2 ) = e i ( k 1 n 1 + k 2 n 2 + 1 2 θ 12 ) + e i ( k 1 n 2 + k 2 n 1 + 1 2 θ 21 ) {\displaystyle a(n_{1},n_{2})=\mathrm {e} ^{i(k_{1}n_{1}+k_{2}n_{2}+{\frac {1}{2}}\theta _{12})}+\mathrm {e} ^{i(k_{1}n_{2}+k_{2}n_{1}+{\frac {1}{2}}\theta _{21})}}

Mit den periodischen Randbedingungen findet man insgesamt, dass die Wellenzahlen k 1 , k 2 {\displaystyle k_{1},k_{2}} und der Winkel θ = θ 12 = θ 2 , 1 {\displaystyle \theta =\theta _{12}=-\theta _{2,1}} folgende Gleichungen erfüllen müssen:

2 cot θ 2 = cot k 1 2 cot k 2 2 N k 1 = 2 π λ 1 + θ N k 2 = 2 π λ 2 θ {\displaystyle 2\cot {\frac {\theta }{2}}=\cot {\frac {k_{1}}{2}}-\cot {\frac {k_{2}}{2}}\qquad Nk_{1}=2\pi \lambda _{1}+\theta \qquad Nk_{2}=2\pi \lambda _{2}-\theta }

wobei die ganzen Zahlen λ i = 0 , 1... N {\displaystyle \lambda _{i}={0,1...N}} Bethe-Quantenzahlen genannt werden. Damit sind alle Eigenvektoren für r = 2 {\displaystyle r=2} bestimmt durch alle möglichen Paare, die die Gleichungen erfüllen. Die Energie ist dann geben mittels:

E E 0 = J j = 1 , 2 ( 1 cos ( k j ) ) {\displaystyle E-E_{0}=J\sum _{j=1,2}(1-\cos(k_{j}))}

Der letzte Schritt ist die Verallgemeinerung für Eigenvektoren, die aus Superpositionen von Zuständen mit r {\displaystyle r} umgeklappten Spins bestehen.

r beliebig

Für Eigenvektoren, die aus Superpositionen von Zuständen mit r {\displaystyle r} umgeklappten Spins bestehen, lautet der Ansatz:

| Ψ = n 1 < n 2 < . . < n r N a ( n 1 , n 2 , . . , n r ) | n 1 , n 2 , . . , n r {\displaystyle |\Psi \rangle =\sum _{n1<n2<..<n_{r}}^{N}a(n_{1},n_{2},..,n_{r})|n_{1},n_{2},..,n_{r}\rangle }

mit den Koeffizienten:

a ( n 1 , . . n r ) = P S r exp ( i j = 1 r k P j n j + i i < j θ P i P j ) {\displaystyle a(n_{1},..n_{r})=\sum _{P\in S_{r}}\exp \left(i\sum _{j=1}^{r}k_{P_{j}}n_{j}+i\sum _{i<j}\theta _{P_{i}P_{j}}\right)}

Die Summe läuft dabei über alle möglichen r ! {\displaystyle r!} Permutationen der Zahlen 1 , . . , r {\displaystyle {1,..,r}} . Diese Wahl der Koeffizienten der ebenen Wellen wird als Bethe-Ansatz bezeichnet. Einsetzen in die Schrödingergleichung und die periodischen Randbedingungen führen zu den Bethe-Ansatz-Gleichungen:

2 cot θ i j 2 = cot k i 2 cot k j 2 mit i , j = 1.. r N k i = 2 π λ i + j i θ i j λ i = 1 , . . , N 1 {\displaystyle {\begin{alignedat}{2}2\cot {\frac {\theta _{ij}}{2}}&=\cot {\frac {k_{i}}{2}}-\cot {\frac {k_{j}}{2}}&\qquad {\text{mit}}\quad &i,j=1..r\\Nk_{i}&=2\pi \lambda _{i}+\sum _{j\neq i}\theta _{ij}&&\lambda _{i}={1,..,N-1}\end{alignedat}}}

Die Eigenvektoren sind gegeben mit allen Kombinationen der Bethe-Quantenzahlen ( λ 1 , . . λ r ) {\displaystyle (\lambda _{1},..\lambda _{r})} , die die Bethe-Ansatz-Gleichungen erfüllen. Eine Klassifikation der Eigenvektoren ist also über die Bethe-Quantenzahlen möglich. Die Bestimmung aller Eigenvektoren ist allerdings nicht trivial. Die Energie des zugehörigen Zustands kann dann allerdings leicht mittels

( E E 0 ) = J j = 1 r ( 1 cos k j ) {\displaystyle (E-E_{0})=J\sum _{j=1}^{r}(1-\cos k_{j})}

angegeben werden.

  • Einführung zum Bethe-Ansatz (englisch)

Quellen

  1. H Bethe: Zur Theorie der Metalle. In: Zeitschrift für Physik A Hadrons and Nuclei. Volume 71. Jahrgang, Nr. 3–4, 1931, S. 205–226, doi:10.1007/BF01341708. 
  2. P.B. Wiegmann, Soviet Phys. JETP Lett., 31, 392 (1980).
  3. N. Andrei: Diagonalization of the Kondo Hamiltonian. In: Phys. Rev. Lett. 45. Jahrgang, Nr. 5, August 1980, S. 379–382, doi:10.1103/PhysRevLett.45.379. 
  4. P.B. Wiegmann: Towards an exact solution of the Anderson model. In: Physics Letters A. 80. Jahrgang, Nr. 2–3, September 1980, S. 163–167, doi:10.1016/0375-9601(80)90212-1. 
  5. Kawakami, Okiji: Exact expression of the ground-state energy for the symmetric anderson model. In: Physics Letters A. 86. Jahrgang, Nr. 9, 1981, S. 483–486, doi:10.1016/0375-9601(81)90663-0. 
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4121011-6 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: sh98004187