Major-System
Das Major-System (auch Zifferncode nach Aimée Paris genannt, oft falsch als Mastersystem rückübersetzt) ist eine Gedächtnistechnik, die auf der Zuordnung von Lauten zu Ziffern und Wörtern zu Zahlen basiert.
Zuordnungsliste
Im Folgenden wird die Zuordnung nach Aimé Paris gezeigt. Andere Zuordnungen sind weniger verbreitet, gelten als weniger effektiv oder haben einen eingeschränkten Anwendungsbereich. Da es auf die Laute, genauer Konsonanten, ankommt, und nicht auf Buchstaben, funktioniert diese Zuordnung in beide Richtungen:
Ziffer | Ersatz- konsonanten | Merkhilfen |
---|---|---|
0 | s, ß, ss, z | Im Englischen und Italienischen heißt null zero;[1] im Englischen mit stimmhaftem s, im Italienischen mit z ausgesprochen. |
1 | t, d | Der Buchstabe t ähnelt der Ziffer 1; d ist lautverwandt.[2] |
2 | n | Das n hat zwei „Beine“, also zwei Striche nach unten.[3] |
3 | m | Das m hat drei „Beine“, also drei Striche nach unten.[4] |
4 | r | Der 4te Buchstabe des Wortes vier ist ein r.[5] Weitere Merkhilfemöglichkeit: das französische Auto R4.[6] |
5 | l | Das L ist das römische Zahlzeichen für 50.[7] Der Winkel oben auf der 5 sieht aus wie ein nach rechts gedrehtes L.[8] Weitere Merkhilfe: Wenn man von den fünf Fingern einer Hand den Daumen waagrecht abspreizt, bilden der Zeigefinger und der abgespreizte Daumen ein großes L.[9] |
6 | sch, ch | Die ersten drei Mitlaute des Wortes sechs lauten sch.[10] Mit 6 geht man in die Schule.[11] Die 6 war eine schlechte Note in der Schule.[12] |
7 | k, ck, g | 7 ist eine Glückszahl. Am 7. Tag gehen wir in die Kirche.[13] Die Laute ck und g sind lautverwandt. Weitere Merkhilfe: Der Siebenjährige Krieg.[14] |
8 | f, v, w | Das handschriftliche kleine f beinhaltet in etwa die Ziffer 8.[15] Die Laute v und w sind lautverwandt. Weitere Merkhilfe: 8ung – Vorsicht Falle![16] |
9 | p, b | Die Ziffer 9 ähnelt dem Spiegelbild von p[17] und einem verkehrt herumstehenden b[18]. Die Zeichen p und b sind lautverwandt. |
Sind einer Ziffer mehrere Laute zugeordnet, werden diese phonetisch ähnlich erzeugt (Ausnahme „6“).
Hat man sich diese Zuordnung eingeprägt, lassen sich leicht längere Zahlen als ein Wort oder als Satz merken. Vokale kommen in diesem System nicht vor; man kann sie also beliebig verwenden, da sie nicht sinntragend sind. Dabei ist zu beachten, dass nur der phonetische Wert gilt, nicht der orthografische:
- Kaffee hat den Zahlenwert 78
- Latte hat den Zahlenwert 51
Beispiel 1: Anstatt sich die Zahl 6752 (z. B. eine PIN) einzuprägen, merkt man sich lediglich das Wort schaukeln.
Beispiel 2: Die Ziffernfolge 0123456789 ist in diesem Satz kodiert: „Ist Unmoral schick, Weib?“ Oder auch in diesem: „Zeitnehmer: eile! Schau: Kaffeeabbau!“
Die Methode ist im Alltag immer dann nützlich, wenn man bestimmte längere Zahlen häufiger braucht, beispielsweise Ausweisnummern oder Telefonnummern. Es lassen sich auch Notizen in Form von Zahlen anfertigen, die dann quasi eine Geheimschrift darstellen. Die Kombination „6 59 16“ könnte dann etwa „Ich liebe dich“ bedeuten.
Es gibt auch die Variante, die Zahlenwerte nur in Hauptworten zu kodieren und die dazwischen liegenden sonstigen Worte zu ignorieren. So hätten die Sätze „Der Mann geht zur Kasse“ und „Der Mann lief zur Kasse“ beide den gleichen Zahlenwert 3270.
Lange Zahlenreihen wie z. B. Handynummern unterteilt man in Zweiergruppen und bildet daraus eine phantasievolle Geschichte, die durchaus absurd und seltsam sein soll, damit man sie sich leichter einprägen kann. Beispielsweise wird die folgende 20-stellige Zahlenreihe somit in Zweiergruppen aufgeteilt und den Zweiergruppen die Bilder der Major-Liste zugeordnet.
90431395705068146320: 90 = Bus, 43 = Rum, 13 = Team, 95 = Ball, 70 = Käse, 50 = Lasso, 68 = Schaf, 14 = Teer, 63 = Schaum, 20 = Nase.
Mögliche Geschichte zur obigen 20-stelligen Zahl: „Sie tanken den riesigen Bus mit Rum, und ein Team mit einem Sack voller (Fuß)Bälle steigt ein, wobei jeder als Reiseproviant ein Stück Käse bekommt. Da der Bus nicht anspringt, nehmen Sie ein Lasso und spannen Schafe zum Ziehen an, die auf der frisch geteerten Straße laufen. Sie laufen immer schneller und schneller, bekommen vor Erschöpfung Schaum vor den Mund und fallen alle auf die Nase.“[19]
Bei kürzeren Zahlen kann man außer den Hauptwörtern der Liste des Major-Systems ganz auf Hauptwörter verzichten und die Zahl mit ein oder zwei Sätzen darstellen.
Übersetzen in Bilder
Wichtig ist, dass man die Zahlen in emotionale, klare Bilder übersetzt, die man sich gut vorstellen kann. Je mehr Sinneseindrücke man mit dem Bild verknüpft, desto besser. Im Nachfolgenden sind alle ein- und zweistelligen Zahlen nach der Major-Systematik in Bilder umgewandelt. Bei den folgenden Bildern handelt es sich um die gängigen und herkömmlichen Bilder aus der Fachliteratur (vgl. Literaturliste).
Zahl | Bild | Vorschläge zum besseren Visualisieren |
---|---|---|
0 | Sau | Schwein von einem bekannten Bauernhof; buntes Sparschwein aus der Kinderzeit; Rennschwein Rudi Rüssel |
1 | Tee | heißen, dampfenden Earl-Grey-Tee schlürfen |
2 | Noah | Tiere gehen zu zweit in Noahs Arche; Noah lässt nach der Sintflut Taube aus |
3 | Mai | duftende Maiglöckchen; an jemand denken, der im Mai Geburtstag hat |
4 | Reh | kleines, großäugiges Rehkitz mit weißen Flecken auf dem Fell; Bambi |
5 | Lee | Jeansmarke; bildliche Vorstellung einer Jeans mit Lee-Logo |
6 | Schi | Lift oder Schlepplift fahren im Winter; Skirennen im Fernsehen |
7 | Kuh | lila Milkakuh mit Glocke auf Alm |
8 | Fee | Fee eigener Träume |
9 | Po | großer Strom in Italien; Kinderpopo |
10 | Tasse | rote Porzellantasse mit schwarzen Punkten |
11 | Tod | Sensenmann mit schwarzem Umhang; Skelett. (oder: Teddy; Dein Lieblingsteddy) |
12 | Tanne | mit Lichtern, Sternen und Kerzen geschmückter Weihnachtsbaum; Geschenke |
13 | Team | Vorstellung einer bestimmten Mannschaft aus dem Sport |
14 | Teer | an eine frisch geteerte und stark riechende frisch geteerte Straße denken |
15 | Tal | Blick in ein bestimmtes Tal in der Erinnerung |
16 | Tasche | Schultasche mit Lehrbüchern und lecker gefüllter Pausenbox |
17 | Theke | hoher Thekenhocker mit Blick auf Barkeeper und Alkoholflaschen |
18 | Taufe | kleines schreiendes Kind im Arm der Mutter, das mit Weihwasser bespritzt wird |
19 | Taube | Friedenstaube mit Ölzweig im Schnabel; Brieftaube |
20 | Nase | Nasenpiercing; markante Nase eines Verwandten oder Bekannten |
21 | Note | besondere Note im Schulzeugnis, an die man sich gerne erinnert; Notenblatt in der Musik |
22 | Nonne | Nonne mit schwarzer Kutte und Rosenkranz in der Hand |
23 | Nemo | Kapitän Nemo mit Kapitänsmütze, der ehrenhaft mit dem Schiff untergeht |
24 | Nero | Kaiser in Rom, der gerne Leute in der Arena den wilden Tieren vorwirft |
25 | Nil | Nilpferd, welches den Kopf aus dem Wasser streckt |
26 | Nische | in Wandnische stehende Heiligenfigur |
27 | Nike | Sportschuh mit Erinnerung an Nike-Zeichen |
28 | Neffe | Erinnerung an bestimmten Neffen in der Verwandtschaft |
29 | Neubau | schöner bekannter Neubau mit spannender Architektur |
30 | Moos | grünes feuchtes Moos am Waldboden |
31 | Matte | neben Trampolin beim Turnen; dicke und weiche Yoga-Matte |
32 | Mohn | rotleuchtendes Mohnfeld im Sonnenschein |
33 | Mama | Gedanken an die eigene Mama; eines der ersten gehörten Worte eines Kleinkindes |
34 | Meer | smaragdgrünes Wasser und menschenleerer Strand; salziges Wasser; heißes Wetter |
35 | Mühle | in Holland, mit drehenden Windrädern |
36 | Masche | statt Krawatte, mit bunten Punkten |
37 | Mac | Apple Macintosh; leuchtender Apfel als Logo |
38 | Mafia | böse, grimmige Männer in Sizilien mit Pistolen, schwarzen Anzügen und Sonnenbrillen |
39 | Mopp | Staubbesen mit ölgetränkten Fransen |
40 | Rose | einzelne rote, dornige Rose mit süßem Duft |
41 | Radio | kleines tragbares Transistorradio; Ghettoblaster |
42 | Ruine | alte, verkommene Schlossruine |
43 | Rum | Vorstellung einer Rumflasche |
44 | Rohr | Rohrpost wird verschickt |
45 | Rolle | Klopapierrolle |
46 | Rauch | beim Grillen aufsteigender gräulicher Rauch; Rauchzeichen |
47 | Rock | laute, wilde Musik; E-Gitarren werden zertrümmert |
48 | Reif | Hula-Hoop-Reifen, den man um den Bauch kreisen lässt |
49 | Rabe | schwarzes Stofftier mit orangem Schnabel und Krallen |
50 | Lasso | Cowboy schwingt lässig das Lasso und fängt Kalb ein |
51 | Latte | an den Lattenrost des eigenen Bettes denken |
52 | Leine | Wäscheleine im frischen Sommerwind mit duftender Wäsche |
53 | Lama | Tier mit langem Fell; kann weit spucken |
54 | Leier | Leierkastenmann kurbelt und einfache Melodien ertönen; mit Affe auf Schulter |
55 | Lolli | süßer oranger Lolli mit Pfirsichgeschmack |
56 | Leiche | im Seziersaal; stechender Formalingeruch |
57 | Lok | Vorstellung der Lokomotive einer alten Dampfeisenbahn |
58 | Lava | Vulkan spuckt rote, flüssige Lava aus; rinnt den Vulkan herunter und erstarrt dampfend |
59 | Laub | vergilbte Blätter im Herbstwind; werden zu Haufen zusammengekehrt |
60 | Schuss | der Schuss, der sich aus einer Waffe löst |
61 | Schotte | Bewohner Schottlands in einem Schottenrock (Kilt) mit typischem Karomuster |
62 | Scheune | aufgestapelte Strohballen; in Scheune ins Stroh springen |
63 | Schaum | gut duftendes Schaumbad |
64 | Schere | große Gartenschere, um verblühte Blüten abzuschneiden |
65 | Schal | selbst gestrickter, warmer Schal |
66 | Scheich | Ölscheich mit weißem Umhang auf Kamel |
67 | Scheck | die eigene Scheckkarte |
68 | Schaf | weiße, gekräuselte Wolle; «mähhh» |
69 | Schippe | breite Schaufel zum Schneeräumen |
70 | Käse | Vorstellung des eigenen Lieblingskäses |
71 | Kette | eigene Halskette; Vorhängeschloss |
72 | Kino | großer Kinosaal mit weichen Sesseln |
73 | Kamm | Haarkamm |
74 | Chor | Kirchenchor; Sänger vor Notenständern |
75 | Keule | Fred Feuerstein mit Keule und seinem tollen Steinzeit-Auto |
76 | Koch | 3-Hauben-Koch in Restaurant |
77 | Geige | klassisches Instrument, das mit Bogen gespielt wird |
78 | Kaffee | Kaffeebohnen in groben 25-Kilo-Säcken |
79 | Kappe | schwarze, weiche, warme Wollmütze |
80 | Fass | Fass Bier; Anzapfen beim Oktoberfest |
81 | Fett | Erinnerung an eine Packung Schmalz oder Margarine |
82 | Föhn | nach dem Haarewaschen |
83 | WM | gute Erinnerung an eine ganz bestimmte Fußball-WM; Sprinter laufen um Goldmedaillen |
84 | Feuer | wärmendes, knisterndes Lagerfeuer |
85 | Falle | Mäusefalle mit Käse und Speck als Köder |
86 | Fisch | Goldfisch im Glas; Erinnerung an Lieblingsfischspeise |
87 | Waage | Personenwaage im Bad |
88 | Waffe | Sturmgewehr |
89 | Wabe | Sechseck, aus Wachs, voll mit Honig |
90 | Bus | Linienbus |
91 | Bett | weiches, kuscheliges Bett |
92 | Biene | gelb-schwarz gestreift; Bienenstich schwillt rot an |
93 | Baum | einzelner Laubbaum mit großer Baumkrone |
94 | Bär | brauner großer Bär mit Tatzen und Krallen |
95 | Ball | Ball der eigenen Lieblingssportart; bunter Ball aus Kindertagen |
96 | Bach | leise plätschernder Gebirgsbach in schöner Umgebung |
97 | Backe | brennende Backe nach einer Ohrfeige |
98 | Pfau | Erinnerung an das prächtige Gefieder eines bewunderten Pfaus |
99 | Baby | Baby im Kinderwagen mit bunter Rassel in der Hand |
Da viele Zahlenreihen mit einer Null beginnen, wie dies zum Beispiel bei Vorwahlnummern und Handynummern der Fall ist oder eine Zweiergruppe innerhalb einer Zahl mit 0 beginnt, ist es empfehlenswert, zur Vereinfachung 10 weitere Zahlenkombinationen für die Zweiergruppen von 00 bis 09 zu lernen.[20] So verwendet man zum Beispiel für die (erfundene) Handy-Nummer 03 57 58 88 43 46 die Begriffe Sumo, Lok, Lava, Waffe, Rum, Rauch. Mögliche verbilderte Geschichte: Der Sumo-Ringer Fritz (Besitzer der Telefonnummer, Einfügung erleichtert Zuordnung des Besitzers der Telefonnummer) führt die Lok durch einen Lavastrom. Die geladenen Waffen und Rumflaschen gehen sofort in Rauch auf.
Zahl | Wort | Visualisierungsvorschlag |
---|---|---|
00 | Soße | Lieblingssoße, die man gerne verwendet |
01 | Seide | schönes Kleid oder schöner Schal aus Seide aus eigenem Besitz |
02 | Sohn | eigener Sohn oder Sohn eines Verwandten oder Bekannten |
03 | Sumo | Vorstellung eines übergewichtigen Sumo-Kämpfers |
04 | Säure | Essigsäure zur Salatzubereitung in der Küche; Kohlensäure in der Lieblingslimonade oder im Mineralwasser |
05 | Saal | großer Turnsaal; Zirkeltraining, Fußball, Volleyball |
06 | Seuche | Tiere müssen getötet werden; Seuchengrube |
07 | Socke | weiße Tennissocken oder gefüllter Sparstrumpf |
08 | Sofa | weiche, gemütliche Ledercouch vor dem Fernseher |
09 | Suppe | eigene Lieblingssuppe |
Anwendung
Wenn die 100 Bilder vom Anwender gelernt wurden, werden diese anstelle der Ziffern verwendet, um sich Zahlen einzuprägen. Dafür wird üblicherweise die Loci-Methode verwendet, bei der die Bilder auf Routenpunkten abgelegt und so aus dem Gedächtnis leicht wieder abgerufen werden können. Bei der Wiedergabe erinnert sich der Lernende zunächst über die Route an das Bild und kann dieses über die Lautkodierung wieder in eine Zahl übersetzen.
Das System kann aber auch verwendet werden, um sich Informationen jeglicher Art zu merken. Hierfür wird das Bild von einer Zahl mit der zu merkenden Information verbunden. Beispiel: Wer sich die Länder der Welt nach Fläche geordnet in der richtigen Reihenfolge merken möchte, der würde mit dem Major-System so vorgehen:
- Ich trinke eine Tasse TEE (Zahl) auf dem roten Platz in RUSSLAND (Info).
- Auf der Arche von NOAH (Zahl) rennen die KANADISCHEN (Info) Elche frei herum.
- Im MAI (Zahl) kletterte ich auf die AMERIKANISCHE (Info) Freiheitsstatue.
- usw.
Der Abruf der Inhalte aus dem Gedächtnis erfolgt anschließend mit dem Aufruf der Zahlen und der dazugehörigen Bilder vor dem inneren Auge. Man geht einfach die Zahlen durch von 1 bis zur letzten, die man verwendet hat.
Durch diese bildliche Nummerierung von Inhalten, ermöglicht das Major-System eine sehr präzise Ordnung von Informationen. Man kann jederzeit Fragen beantworten wie: „Was ist das 53. größte... das 10. kleinste..“ usw. Die Reihenfolge beim Merken spielt dabei keine Rolle. Die genaue Nummerierung der Inhalte bekommt man ohne zusätzliche Arbeit geschenkt. Dies ist ein deutlicher Vorteil gegenüber der Loci-Methode.
Ein weiterer Vorteil des Major-Systems ist die Möglichkeit, Überblick über die Menge der gespeicherten Informationen zu erhalten. Wer sich den Inhalt eines Buches merkt und weiß, dass er beispielsweise exakt 153 Informationen dazu gespeichert hat, der kann sein Wissen jederzeit auf Vollständigkeit prüfen. Dadurch kann man ggf. Wissenslücken identifizieren und diese wieder auffrischen.
Geschichtlicher Hintergrund
Im Altgriechischen werden die Zahlen durch Buchstaben wiedergegeben. Die damit verbundenen Möglichkeiten entfielen mit der Verwendung der römischen Zahlen. Demgegenüber wurden in Indien im Katapayadi-System Buchstaben, erstmals bezeugt 683 n. Chr., mit Ziffern verbunden, wodurch Zahlen durch Wörter ersetzt werden konnten. Es ist nicht ganz klar, wie Pierre Hérigone zu diesen Vorbildern stand. Jedenfalls veröffentlichte er 1634 als Erster in Europa einen Zifferncode. In diesem Zusammenhang wird mitunter vom Zifferncode nach Hérigone gesprochen. Der Zifferncode wurde Mitte des 17. Jahrhunderts von Johann Justus Winckelmann unter dem Pseudonym Stannislaus Mink von Wennshein weiterentwickelt und 1648 veröffentlicht.[21] Daher sprach man auch vom Winckelmannschen Zifferncode. Gottfried Wilhelm Leibniz erlernte Winckelmanns System.[22]
In der Folge entstanden mehrere Versuche, einen optimalen Zifferncode zu entwickeln. Richard Grey stellte 1730 ein kompliziertes System vor, bei dem Konsonanten und Vokale die Zahlen bilden. Dabei haben bestimmte Buchstaben Sonderfunktionen. Das 'R' kennzeichnet z. B. einen Bruch. 1808 veröffentlichte der Mönch Gregor von Feinaigle eine verbesserte Zuordnung der Zahlen zu Vokallauten. Er vertauschte die Belegung der Acht und Neun. Auch Johann Christoph von Aretin veröffentlichte 1810 einen eigenen Ansatz. Diese Systeme konnten sich wegen verschiedener Mängel bis hin zur mangelnden Praktikabilität nicht durchsetzen.
Die entscheidende Weiterentwicklung stammt von Aimé Paris, der seinen Zifferncode 1825 vorstellte und in den folgenden Jahren weiterentwickelte. Die entscheidenden Momente waren dabei die Eindeutigkeit der Zuordnung, die den Code auch als Ordnungsinstrument benutzbar macht, und die Verwendung von Lauten statt Buchstaben, die das System intuitiv verwendbar und von der Laut-Buchstaben-Zuordnung der benutzten Sprachen und damit der Rechtschreibung unabhängig macht. Nach ihm sprach man im Deutschen bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts gewöhnlich vom Zifferncode nach Aimé Paris. Er hat bis heute jenseits bestimmter Zwecke, wie z. B. dem Gedächtnissport, keine Verbesserung erfahren.
In der Folge des damals herrschenden Nationalismus entstanden nationale Schulen, die eigene Versionen eines Zifferncodes hervorbrachten, die zumeist Nachteile gegenüber dem Zifferncode nach Aimé Paris aufwiesen. In der deutschen Mnemotechnik ist hier Carl Christian Otto unter dem Pseudonym Carl Otto Reventlow zu nennen, der dabei wieder von Lauten zu Buchstaben zurückging und auch die Eindeutigkeit des Systems aufgab. Daher behinderte dieser Zifferncode nach Reventlow die Entwicklung der deutschen Mnemotechnik lange Zeit erheblich. Noch heute hat dieser Code eine gewisse Bekanntheit in Deutschland. Auch außerhalb Deutschlands gab es Versuche, den Code zu nationalisieren. Ernest E. Wood z. B. wollte den Major-Code 1936 der englischen Sprache anpassen. Dieser und andere Versuche setzten sich jedoch nicht durch.
Der Polnische Major Beniowski lernte den Code in einem Kurs bei Aimé Paris kennen. Als Gedächtnistrainer machte er ihn in England bekannt, weshalb der Code dort nach seinem angeblichen militärischen Rang eines Majors Major-Code oder Major-System genannt wurde. Seit den 1980er-Jahren setzte sich diese Bezeichnung auch in der deutschen Sprache durch. Die Bezeichnung Master-System beruht auf einer falschen Interpretation des Begriffs Major als Ausdruck der Überlegenheit des Systems gegenüber anderen Zifferncodes, stellt also eine fehlerhafte Rückübersetzung dar.[23]
Das hier vorgestellte Major-System wird von den meisten heutigen Autoren von Mnemotechnik-Büchern verwendet. Varianten dieser Version werden etwa im Gedächtnissport eingesetzt, zum Beispiel das PVO-System, bei dem nicht nur eine Liste mit 100 Bildern nach dem Majorsystem erstellt wird, sondern drei getrennte, um mehr Vielfalt zu haben und die Bilder ohne Verwechslungsgefahr gruppieren zu können.
Siehe auch
- Dominic-System
- Gedächtnissport
- PVO-System
- Zahl-Reim-System
- Zahl-Form-System
Literatur
- Ulrich Bien: Einfach. Alles. Merken. Das perfekte Gedächtnistraining / Geniale Merktechniken / Plus DVD: Der Kompakt-Kurs zum Anschauen. humboldt, Hannover 2012, 2., aktualisierte Auflage, ISBN 978-3-86910-482-9, S. 141–153
- Gunther Karsten: Erfolgsgedächtnis. Wie Sie sich Zahlen, Namen, Fakten, Vokabeln einfach besser merken. Mosaik bei Goldmann, München 2004, 3. Auflage, ISBN 978-3-442-16473-8, S. 89–105
- Frank Otto: Trainieren Sie Ihr Gedächtnis mit Hilfe von Mnemotechniken. O. O. (2017), ISBN 978-1-521-86833-1, S. 49–64
- Wilfried Possin: Alles im Kopf. Mit Merktechniken zum Supergedächtnis. mvg Verlag, München 2003, 2. Auflage, ISBN 3-478-73352-9, S. 127–132
- Christiane Stenger: Warum fällt das Schaf vom Baum? Gedächtnistraining mit der Jugendweltmeisterin. Wilhelm Heyne Verlag, München 2010, 5. Auflage, ISBN 978-3-453-68511-6, S. 100–123
Weblinks
- Zahlen-merk-o-mat: ein Code-Generierer, der eine Zahl in ein (oder mehrere) Merkwort (Merkwörter) nach dem Major-Code übersetzt
- Wortgenerator für das Majors-System von 0 bis 99999
- Major-System Generator für Deutsch und Englisch. Kann Zahlenfolgen automatisch zerlegen und daraus Wortlisten erstellen
Einzelnachweise
- ↑ Stenger, S. 102; Bien, S. 146
- ↑ Bien, S. 146
- ↑ Stenger, S. 102; Karsten, S. 91
- ↑ Stenger, S. 102; Karsten, S. 91
- ↑ Bien, S. 146
- ↑ Possin, S. 128
- ↑ Karsten, S. 91
- ↑ Bien, S. 146
- ↑ Otto, S. 52
- ↑ Karsten, S. 91; Possin, S. 128
- ↑ Stenger, S. 102
- ↑ Possin, S. 128
- ↑ Stenger, S. 102
- ↑ Possin, S. 128
- ↑ Stenger, S. 91
- ↑ Possin, S. 128
- ↑ Bien, S. 146
- ↑ Possin, S. 128
- ↑ Karsten, S. 94–95
- ↑ Stenger, S. 123
- ↑ Karsten, S. 90
- ↑ Karsten, S. 90
- ↑ Zum historischen Hintergrund insgesamt: Ulrich Voigt: Esels Welt - Mnemotechnik zwischen Simonides und Harry Lorayne, Hamburg 2011, S. 168–173.